Winterserie 2/4 – Der Chef – Mechaniker

Portrait mit Glen Leven, Chef-Mechaniker an der TdS (Team Trek-Segafredo)

Tour de Suisse: Das Jahr ist gleich um, wie sieht die Off-Season bei dir aus?
Glen Leven: Mein letztes Rennen war die Tour of Guangxi Mitte Oktober. November ist dann jeweils Urlaubszeit. Am 3. Dezember begann dann die Arbeit für die neue Saison in unserem Service Course. Wir bauen die neuen Rennräder und Ersatzmaschinen für die Saison 2019 auf. Die Trainingsräder dagegen sind bereits bei den Fahrern.

TdS: Wechselt ihr auf jede Saison hin euren kompletten Fahrrad-Satz aus?
GL: Rennräder und Ersatzräder werden komplett ausgewechselt und mit aktuellen Neurungen neu aufgebaut. Zeitfahrräder werden in der Regel 2-3 Saisons gefahren. Bei Zeitfahrspezialisten und Leadern gibt es auch da häufigere Erneurungen und Anpassungen.

TdS: Mit wie vielen Rädern wart ihr an der Tour de Suisse unterwegs?
GL: Wir haben im Minimum 3 Strassenfahrräder und 2 Zeitfahrmaschinen pro Fahrer mit auf Tour.

TdS: Und diese 5 Räder sind das ganze Jahr über immer bei Euch, oder?
GL: Richtig, diese Fahrräder sind ans Team gebunden. Es kann vorkommen, dass wir logistisch einen Engpass haben und einen Rennfahrer bitten, sein Trainingsrad als Ersatzrad an ein Eintages-Rennen zu bringen. Meistens kommt es den Rennfahrern gelegen; dann wird ihr Trainingsrad wieder mal komplett von uns Mechanikern gewartet.

TdS: Gehören tun all die Rennräder aber dem Team?
GL: Ja, wir stellen die Fahrräder den Fahrern nur zu Verfügung. Ende Saison oder bei einem Wechsel, werden die Räder zurück gegeben. Der Rennfahrer kann natürlich sein Rad abkaufen, das geht natürlich schon. (grinst)

TdS: Bei einem Etappenrennen wie der TdS, wie intensiv stehst Du da im Austausch mit den Fahrern?
GL: Wir haben eine WhatsApp Gruppe der Rennfahrer im Rennen. Wenn ich sehe, morgen steht eine Bergetappe an, frage ich die Fahrer; wollt ihr morgen alle euer Bergrad, mit den Laufrädern und der Übersetzung  – ansonsten sagt mir was ihr wünscht. Da kann es schon sein, dass ein Leader oder Bergfahrer spezielle Laufräder oder Übersetzung wünscht. Wir führen jeweils das Emonda (leicht) und das Madone (aero) mit da können die Fahrer je nach Etappe wechseln.
Über diese WhatsApp Gruppe informieren mich die Fahrer auch, falls irgend ein Problem an ihrem Rad auftaucht; wenn zum Beispiel ein Tretlager knackt oder eine Bremse schleift.

TdS: Mit was für Sonder-Wünschen wirst Du konfrontiert?
GL: Bei unsrem Job geht es vor allem auch darum, die Wünsche der jeweiligen Fahrer zu kennen. Anfang der Saison kann es gut sein, dass ein Fahrer kommt und bemängelt, dass ein Lenkerband zu dick montiert wurde. Einem Anderen ist das gleiche Lenkerband zu dünn oder zu wenig über den Lenker gezogen.
Aber ja, es kann schon vorkommen, dass dich ein Fahrer vor dem Start noch nach einem Imbusschlüssel fragt und sich an seinen Sattel macht. Anfangs hat mich dies sehr verunsichert. Mittlerweile kenne ich die Fahrer und weiss, dass einige diesen Moment brauchen. (grinst)

TdS: Hast Du auch schon „Fremd-Produkte“ an Rennrädern gefunden? Gibt es Fahrer die Produkte anderer Anbieter wünschen?
GL: Wünsche gibt es immer. Vor allem bei den Sättel und Schuhen sind die Fahrer halt empfindlich. Aber Bontrager haben hundert verschiedene Modelle an Sättel, da wir jeder Fahrer einen finden der passt.
Es gab auch schon Fahrer, die mich baten, andere Laufräder fahren zu dürfen. Dann verweise ich sie direkt an den technischen Manager. (lacht)

TdS: Mir ist an der TdS aufgefallen, dass ihr ausschliesslich mit Scheibenbremsen unterwegs wart.
GL: Ja, wir waren das erste Team, welches von der Tour de Suisse an komplett auf Scheibenbremsen gewechselt hat. Nur die Zeitfahrräder sind noch herkömmlich ausgestattet.

TdS: Was hat diese Umstellung für dich persönlich bedeutet?
GL: Alles war neu – da ich vorher nie mit Scheibenbremsen gearbeitet hatte. Aber man lernt ja schnell und ich hab mir auch bei Kollegen Hilfe und Rat geholt.
Grundsätzlich ist es sicher einfacher jetzt, wie Anfang Saison wo wir noch halb/halb unterwegs waren. Da mussten wir bei jedem Sturz jeweils mit zwei verschiedenen Laufrädern los rennen.
Nun sind wir vom Mechaniker-Team her eingespielt. Wir wissen für alle Probleme welche mit Scheibenbremsen auftreten können eine Lösung. Da sind wir den anderen Teams nun voraus.

TdS: Wenn man Euch jeweils aus dem Auto heraus lehnen sieht, beim Versuch irgend etwas beim Rad eines Fahrers zu reparieren, kann ich jeweils kaum hinschauen.
GL: Es ist natürlich immer ein Risiko. Normalerweise versuchen wir 2-3 Checks zu machen nach einem Sturz; eine Art Fehlersuche. Wir beheben Fehler, machen aber keine Reparaturen aus dem Auto. Können die Fehler nicht behoben werden, wechseln wir das Rad. Dann ist der Fahrer auf dem Ersatzrad, das zweite Auto geht nach vorne und wir haben kurz Zeit am Strassenrand. Wenn wir den Defekt innerhalb 3-4min beheben können, dann wechseln wir das Fahrrad zurück. Ansonsten muss der Fahrer halt auf dem Ersatzrad die Etappe zu Ende fahren.

TdS: Ist eine Zeitfahr-Etappe für Euch Mechaniker ein ruhigerer Arbeitstag?
GL: Im Gegenteil. Du hast andere Fahrrad-Setups wie üblich, Du musst alle Fahrräder bei der UCI kontrollieren lassen, Du hast die Fahrer auf der Rolle, dann auf Streckenbesichtigung. Da kann es gut sein, dass der Rennfahrer kurz vor dem Start noch eine andere Übersetzung wünscht.

TdS: Zum Schluss, Du fährst selber ja auch passioniert – auf was für einem Fahrrad bist Du unterwegs?
GL: Ich fahre das Trek Emonda, nicht weil ich ein Bergfahrer wäre, aber einfach weil ich die klassische Geometrie bevorzuge.
Und ich fahre mit Scheibenbremsen um Erfahrungen zu sammeln und zu wissen, wo von der Rennfahrer spricht, wenn er zu mir kommt und sagt, die Bremse schleift oder so. Dieses Feeling und Erfahrung zu haben.

TdS: Ganz herzlichen Dank Glen und dir dann schöne Festtage.