Der Australier gewann als Leader der Mannschaft BMC die Landesrundfahrt auf eindrückliche Art und Weise. Richie Porte (Trek-Segafredo) spricht im exklusiv Interview über den verpassten Sieg in der Königsetappe, die harte Arbeit seines Teams und seine Ziele für die neue Saison.
TdS: Du bist aktuell mitten in der Aufbauphase für den Sommer – denkst Du beim Training manchmal an deinen Tour-de-Suisse-Sieg zurück?
Richie Porte: Ja, ich denke sogar ziemlich oft daran zurück. Es war ein besonderer Moment, der zudem mit der Geburt unseres Sohnes zusammenfiel … Ich habe erst kürzlich mit meiner Frau die Fotos angeschaut und dabei an diese Zeit und an den Sieg bei der Tour de Suisse zurückgedacht – der ein grossartiger Erfolg für mich war. Es ist der bis her grösste Sieg meiner Karriere.
TdS: Ihr habt mit dem BMC-Team die Tour de Suisse konstant dominiert. Zuerst trug Stefan Küng gelb, nachdem das Team das Mannschaftszeitfahren gewonnen hatte, danach hast Du ab Leukerbad übernommen und die Führung anschliessend nicht mehr aus den Händen gegeben. Ab welchem Punkt warst Du zuversichtlich und glaubtest wirklich daran, dass Du den Sieg im Gesamtklassement nach Hause bringen würden?
Richie Porte: Ja, es war auf jeden Fall ein perfektes Rennen für unser Team. Nach der Etappe nach Gommiswald, auf der ich auf dem kurzen Aufstieg die Jungs aus dem Gesamtklassement abhängen konnte, war ich zuversichtlich, dass meine Beine gut mitmachen und ich bereit war für die längeren Aufstiege. Auch am Anfang des letzten Zeitfahrens war ich dann zuversichtlich, obwohl ich dachte, Fahrer wie Wilco Kelderman würden aufschliessen. Ganz sicher kann man sich natürlich sowieso nie fühlen.
TdS: Aus Sicht eines Aussenstehenden schien es, als hättest Du immer alles völlig unter Kontrolle – ausser auf der Etappe nach Arosa hoch, auf der Nairo (Quintana) sehr früh zum Angriff überging. Hat dich das überrascht, dass er sein Glück so früh versuchte?
Richie Porte: Nein, überrascht war ich nicht wirklich … Lange Aufstiege sind seine Spezialität, darin ist er am besten. Er hat schon auf der ganzen Welt solche Etappen gewonnen. Wir haben dafür gesorgt, dass (Greg) van Avermaet das Rennen kontrolliert, deshalb waren wir zuversichtlich, dass er nicht zu viel Zeit gewinnen würde.
TdS: Aber wurdest Du nervös, als Nairo das Ding durchzog?
Richie Porte: Nein, so richtig nervös wurde ich nicht. Ich wusste ja, dass auf der letzten Etappe ein langes Zeitfahren stattfinden wird (lacht). Aber ja, nach dem flacheren Abschnitt und dieser kurzen Abfahrt hat mich Greg für den letzten Teil des Aufstiegs losgeschickt. Und der war doch steiler, als ich dachte. So gesehen war es definitiv nicht einfach.
TdS: Am Tag davor, auf der sechsten Etappe nach Gommiswald, auf dem kurzen, aber steilen Aufstieg vor der «Flamme Rouge» hast Du angegriffen. Keiner der Fahrer aus dem Gesamtklassement war in der Lage zu folgen – hat es dich gestört, dass Soren Kragh-Andersen aus der Ausreissergruppe den Etappensieg verbuchen konnte? Und Du den Gesamtsieg ohne zusätzlichen Etappensieg für dich verbuchen musstest? Oder war das völlig egal?
Richie Porte:Ich finde es definitiv noch immer schade, dass ich das Gesamtklassement ohne Etappensieg gewonnen habe. Denn wenn du im Gesamtklassement gewinnst, willst du natürlich zeigen, dass du der Stärkste bist. Das Team hat alles unternommen, was es konnte, um die Fluchtgruppe zurück zu bringen. Aber Soren ist ein starker Fahrer!
TdS: Was hat dir der Sieg im Gesamtklassement genau in diesem Moment, nach dem letzten Zeitfahren am letzten Tag, bedeutet?
Richie Porte: DetailOh, das war schlicht ein fantastischer Moment. Ich meine, die Tour de Suisse ist das wahrscheinlich wichtigste einwöchige – oder besser gesagt neuntägige (lacht) – Etappenrennen. Ich hatte 2018 nicht den besten Frühling und der Sieg an der Tour de Suisse … Oh Mann, das war eine echte Erlösung. Es ist mein bisher grösster Sieg, zudem hat er mir das Selbstvertrauen gegeben, um an der Tour de France an den Start zu gehen!
TdS: Aus heutiger Sicht, einige Monate später und nachdem sich die Dinge an der Tour de France nicht so entwickelten, wie erhofft – wie ordnest Du heute deinen Gesamtgewinn an der Tour de Suisse ein?
Richie Porte: Ja … ich stürzte wieder auf der 9. Etappe. Das war echt enttäuschend und frustrierend. Alles sah so gut aus für mich und für das Team. Wir sind mit grossen Hoffnungen nach Frankreich gegangen und wollten Leistung zeigen, auch um Andy Rihs nach seinem Tod Respekt und Ehre für alles zu erweisen, was er für dieses Team getan hat. Deshalb denke ich natürlich lieber an die Tage in der Schweiz.
TdS: Egal, ob es um eine Sprintetappe, eine Bergetappe oder den Sieg im Gesamtklassement geht: Wir hören in jedem Interview, wie wichtig das Team ist.
Kannst Du jemandem, der weniger vertraut ist mit unserem Sport – jemandem, der sich jeweils nur die letzten zehn Kilometer eines Rennens anschaut –, beschreiben, wie wichtig die Rolle des Teams für deinen Gesamtsieg war und in welchen Momenten des Rennens es wirklich Teamwork war?
Richie Porte: Schau, es ist ein Teamsport. Ein Team wie ich es hatte, mit Michi (Schär), Greg van Avermaet und Stefan Küng, Simon Gerrans und allen anderen, ermöglicht es dir, ein Rennen wie die Tour de Suisse zu gewinnen.
Auf der Königsetappe, nachdem wir diese beiden hohen Berge überquert hatten, war es Michi, der im Prinzip das gesamte Feld alleine gezogen hat (lacht) – vielleicht nicht gerade das beste Beispiel für Teamwork. Witzigerweise sind wir nun in dieser Saison alle in unterschiedlichen Teams …
TdS: Genau, Du hast für die Saison 2019 das Team gewechselt. Wie läuft es bisher mit Trek Segafredo?
Richie Porte: Es läuft grossartig! Wir hatten einen guten Start an der Tour Down Under, alles fühlt sich sehr gut an. Und jetzt beginnen die richtigen Rennen in Europa.
TdS: Du wurdest direkt vor dem Start der TdS Vater. Es muss ziemlich hart gewesen sein, deine Familie so bald nach der Geburt zu verlassen und sich auf das Radrennfahren zu konzentrieren. Wie schafft man es, den Fokus zu halten und sich nicht ablenken zu lassen?
Richie Porte: Schau, das ist mein Job. Als ich Abschied nehmen musste, war es eine grosse Motivation, mein Bestes zu geben. Und die Tour der Suisse zu gewinnen war ein solch grossartiger Moment. Und erst der Teddybär, den ich von der Rennleitung erhalten habe (lacht) – das war sehr nett und erinnert mich an diese guten Zeiten.
TdS: Im Jahr davor konntest Du die Tour de Romandie gewinnen, die Tour de Suisse warst Du zuvor jedoch noch nie gefahren – was hat dich dazu gebracht, 2018 die Tour de Suisse zu fahren?
Richie Porte: Ich hatte es satt, an der Dauphiné immer als Zweiter ins Ziel zu fahren (lacht). Und ich hatte Glück, denn angesichts der bevorstehenden Geburt war das Timing der Tour de Suisse einfach besser.
TdS: Als professioneller Radrennfahrer reist Du um die ganze Welt und fahrst an vielen Orten Rennen. Fällt dir etwas Besonderes ein, was von Rennen der Schweiz in Erinnerung geblieben ist?
Richie Porte: Ja, die Strassen. Die Strassen sind wirklich gut. Und sogar wenn du leidest, realisierst du, wie schön dieses Land ist. Ich glaube, die Schweiz ist einer der schönsten Orte auf dieser Erde – und hat einige der nettesten Kühe (lacht)!
TdS: Richie, herzlichen Dank und alles Gute für diese Saison und für die Verwirklichung deiner Ziele!